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Das Findelkind vom Watt von Dieuwke Winsemius. Jugendbuchempfehlung

Dieuwke Winsemius:

Das Findelkind vom Watt

1. Bibliografische Angaben und Lesestufe

  • Dieuwke Winsemius: Das Findelkind vom Watt. München: dtv junior, 2005, 128 S. (mit Zeichnungen von Angela Weinhold, aus dem Niederländischen von Florentine und Hans Edmund Naylor, Originaltitel: De vondeling van het wad)
  • Lesestufe: 5. Klasse

2. Inhaltsangabe

Die neunjährigen Zwillinge Delia und Jun unternehmen an einem schulfreien Tag mit ihren Eltern Max und Lieke einen Ausflug zu einer Aufzuchtstation für Seehunde, wo sie mit großer Faszination viel über die Tiere erfahren. Ein Seehund ist es dann auch, der Aufregung in den verregneten Sommerurlaub auf der Nordseeinsel Schiermonnikoog bringt: Max berichtet von einer Begegnung mit einem offensichtlich sehr zutraulichen Seehund und irgendwann gelingt es auch den Zwillingen, diesen zu erspähen. Von da an gehen sie regelmäßig zum Strand, um Steven, wie sie „ihren“ Seehund taufen, zu beobachten. Durch einen Trick gewinnen sie sein Zutrauen: Einer der beiden wickelt sich in einen Schlafsack und robbt als „Artgenosse“ an den Strand. Tatsächlich lässt sich das Tier sogar streicheln und langsam entwickelt sich eine Beziehung zwischen dem Seehund und den Zwillingen. Durch ihre ständigen Besuche am Strand vernachlässigen sie – nicht ohne schlechtes Gewissen – ihren Hund Tommy, für den sie die Verantwortung tragen. Mit den Problemen der Seehunde setzten sich Delia und Jun dafür umso mehr auseinander. Sie machen die Erfahrung, dass manche Menschen wie der eigentlich sehr tierliebe alte Fischer Jord Seehunde lediglich als Bedrohung der Fischbestände wahrnehmen. Als sie in der Zeitung vom Seehundsterben in der Nordsee lesen, organisieren sie mit Freunden spontan eine Demonstration am Fähranleger, über die sogar in der Zeitung berichtet wird. Am letzten Ferientag überschlagen sich die Ereignisse: Die Familie entschließt sich, Jords Haus zu kaufen und seine Katze aufzunehmen, damit der alte Fischer beruhigt in ein Seniorenheim umziehen kann, Steven zeigt sich mit seinem Jungen und die Zwillinge finden am Strand einen verlassenen Heuler. Sie bringen ihn zur Aufzuchtstation und dürfen ein Jahr später dabei sein, als ihr Findelkind im offenen Meer ausgesetzt wird.

3. Kurzinformationen zur Autorin

Die niederländische Schriftstellerin Dieuwke Winsemius schreibt sowohl geschichtliche Romane für Erwachsene als auch Jugendbücher. Wie Das Findelkind vom Watt beschäftigt sich auch ihre zweite in Deutschland erschienene Erzählung Hilfe! Mein Gefieder ist voll Öl (siehe Besprechung in diesem Buch) mit der Zerstörung der Natur und der Verantwortung des Menschen für andere Lebewesen. Beide Bücher basieren auf authentischen Ereignissen.

4. Allgemeine Einordnung

Das Findelkind vom Watt kann in der 5. Jahrgangsstufe oder auch in einer 4. Grundschulklasse besonders dann gewinnbringend eingesetzt werden, wenn ein fächerübergreifendes Projekt mit den Fächern Biologie und Erdkunde bzw. Sachkunde möglich ist. Die Schüler sind vom Schicksal der Heuler sehr betroffen und zeigen großes Interesse an den Belangen des Arten- und Umweltschutzes. Ausgehend von der Erzählung kann so umfangreiches Sachwissen über die Seehunde, das Wattenmeer, die Gezeiten, die rechtliche Situation der Robbenjagd usw. erarbeitet werden. Ideal wäre es natürlich, wenn das Buch vor einer Klassenfahrt an die Nordsee gelesen würde. Die Geschichte bietet aber ebenso Zugänge zu zahlreichen ganz anderen Themen. An mehreren Beispielen wird thematisiert, was es heißt, Verantwortung für ein Tier zu übernehmen. Auch über die Familie im Allgemeinen (z. B. die Bedeutung der Familie für den Einzelnen) und über den Familienzusammenhalt von Max, Lieke, Jun und Delia im Besonderen kann im Unterricht gesprochen werden: Das Verhältnis ist sehr offen und die Zwillinge sprechen ihre Eltern mit Vornamen an, was bei vielen Kindern Verwunderung auslöst und in der Klasse zu spannenden Diskussionen führt. Besonders interessieren sich die Schüler oft auch für den alten Fischer Jord, was als Anlass dienen kann, die Probleme alter Menschen in der Gesellschaft zu thematisieren. Ausgehend von der von Delia und Jun initiierten Demonstration können des Weiteren Möglichkeiten der politischen Beteiligung von Kindern gesammelt und vorgestellt werden.

5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten

Die Erzählung umfasst zirka 120 Seiten, die in elf Kapitel aufgeteilt sind. Falls man in leseschwachen Klassen befürchtet, dass der Umfang eine Überforderung darstellt, können einzelne Kapitel problemlos im Unterricht vom Lehrer vorgelesen oder von leistungsstarken Schülern erzählt werden. Jedem Kapitel ist eine knappe Inhaltsangabe vorangestellt, die das Lesen sehr erleichtert und besonders das Auffinden von bestimmten Textstellen sehr einfach macht. Die Zusammenfassung birgt allerdings auch die Gefahr, dass eher weniger lesebegeisterte Schüler sich mit diesen ein oder zwei Sätzen zufriedengeben. Die Sprache des Buches ist recht einfach, die Handlung wird chronologisch erzählt und ist somit ebenfalls eingängig. Für Kinder allerdings, die noch nie am Meer waren, ist es sicherlich recht schwierig, sich viele Details vorzustellen („Es roch nach Fisch und nach dem Watt bei Ebbe.“, S. 17), auch wenn die zahlreichen schönen Bleistiftzeichnungen, die den Text immer wieder unterbrechen und den Lesefluss auflockern, die Anschauung erleichtern. In die Thematik Arten- und Naturschutz im Wattenmeer führt ein Vorwort von einem Vertreter der Umweltstiftung WWF ein.

6. Didaktische Anregungen

Unterrichtseinstiege
Eine erste Annäherung an die Erzählung ist sehr schön über das Titelbild, das einen jungen Seehund zeigt, möglich. Das Bild kann auf einer Folie oder in einem Stuhlkreis direkt mit dem Buch präsentiert werden. Die Kinder beschreiben zunächst, was sie sehen und was sie über Seehunde wissen. Vielleicht können sie im ersten Gespräch auch bereits erklären, warum das Tier so niedlich erscheint – der abgebildete Seehund schaut den Betrachter mit großen Augen fragend an –; die eindrucksvollen Augen werden in der Geschichte auch mehrmals angesprochen. Anschließend erarbeiten die Schüler mit Hilfe von geeignetem Arbeitsmaterial Informationen über Seehunde; alternativ liest man gemeinsam das Vorwort und lässt die Frage beantworten, was die Tiere in der Nordsee bedroht (das Vorwort liefert verschiedene Antworten). Auch über den Themenkomplex „Meer/Strand“ kann man gut in die Besprechung einsteigen. Zunächst ruft man das Vorwissen der Schüler ab. So können sie im Stuhlkreis erzählen, was sie schon am Meer erlebt haben bzw. was sie dort besonders gerne tun, oder ein Bild zum Thema „Ein toller Tag am Meer“ malen. Vermutlich werden viele Kinder von ihren Badeerlebnissen am Mittelmeer berichten, andere vielleicht aber auch vom Urlaub an der Ost- oder Nordsee bei völlig anderen Wetterverhältnissen und mit ganz anderen Erfahrungen (Wattwanderung, Gezeiten). Es ist hilfreich, eine Europakarte in der Klasse aufzuhängen, um die unterschiedlichen „Strandgeschichten“ zuordnen zu können. Abschließend kann dann an der Karte gezeigt werden, wo sich die Geschichte des Buches abspielt. Evtl. können die Schüler nun mit Hilfe von Leitfragen Material über das Wattenmeer und seine Tiere bearbeiten. Natürlich kann man mit der Lektüre auch beginnen, indem man die ersten Seiten des Buches vorliest. Da zunächst die Familie („Wir nennen unsere Eltern nämlich immer beim Vornamen.“, S. 13; „Lieke ist der Meinung, dass man an freien Tagen immer etwas Besonderes unternehmen sollte“, S. 14) sehr genau beschrieben wird, bietet sich dieser Einstieg besonders an, wenn man den Baustein Familienzusammenhalt bereits früh in der Einheit behandeln möchte. Nach dem Lesen können die Schüler dann ein Bild von der Familie während des Ausflugs malen.

Fächerverbindendes Arbeiten mit dem Fach Biologie: Seehunde
Bei der Bearbeitung der Lektüre zeigen die Kinder große Zuneigung zu den Seehunden und insbesondere den Heulern. Daher sollte diese Tierart in Kooperation mit dem Biologieunterricht bzw. dem Fach Sachkunde sehr genau behandelt werden. Jeder Schüler bzw. jede Arbeitsgruppe erhält geeignetes Material (etwa kindgerechte Sachbücher zum Leben im Meer) und eine bzw. einige der folgenden Fragen: Wie alt werden Seehunde? Wo leben sie? Wovon ernähren sie sich? Wie oft bekommen sie Junge? Wer sind ihre Feinde? Was sind Heuler? … In einem anschließenden „Expertengespräch“ werden alle Ergebnisse vorgetragen. Besonders schön ist es, die Auseinandersetzung mit dieser Tierart mit einem Besuch im Zoo (oder bei Schulklassen, die an der Küste leben, sogar in einer Seehundstation) abzuschließen. Dabei wäre dann ein Gespräch mit einem Tierpfleger, der aus erster Hand von der Arbeit mit den Tieren berichten kann, für die Kinder sehr spannend. Natürlich muss man auch ansprechen, dass Seehunde in Deutschland als gefährdete Art eingestuft werden (vgl. http:///wwf-arten.wwf.de/detail.php?id=176 [Stand: 05/2007)]. Dazu wird das 1. Kapitel über den Besuch der Seehundstation zunächst gemeinsam gelesen. Die Schüler sollen dann mit Hilfe des Internets herausfinden, wie viele Seehunde derzeit im Wattenmeer der Nordsee leben, wovon sie bedroht und wie sie beschützt werden; einzelne Tierschutzorganisationen können vorgestellt werden. Da eine Recherche im Internet für die Kinder noch sehr anspruchsvoll ist, sollte man mit der sogenannten Webquestmethode arbeiten, d. h. man gibt genaue Fragen sowie auch die Seiten, auf denen die Schüler suchen sollen, vor. Auch beim Thema Artenschutz ist eine Expertenbefragung sehr gewinnbringend, es kann z. B. ein Mitglied einer Umweltschutzorganisation über seine Motivation, Erfolge und weiteren Ziele berichten. Eine ganz andere Perspektive eröffnet in der Lektüre der Fischer Jord: Für ihn sind Seehunde eine Bedrohung, da sie den für die Fischer lebensnotwendigen Fischbestand fressen. Damit die Schüler die Seehundjagd nicht nur einseitig verurteilen, sollte auch diese Sicht in den Unterricht einfließen. Dazu liest man die Seiten 59–61 wiederholend vor und lässt die Schüler in eigenen Worten Jords Meinung zusammenfassen („Kein Fischer tötet einen Seehund, wenn es nicht nötig ist, aber der Mensch kann sich nicht von einem Tier das tägliche Brot rauben lassen!“, S. 60). Anschließend können die Kinder ihre eigene Meinung zu diesem Problem und zum Streit von Jun („Haben die Seehunde vielleicht kein Recht zu leben?“, S. 60) und Jord („Die Menschen sind wichtiger als die Tiere.“, ebd.) äußern und diskutieren.

Fächerverbindendes Arbeiten mit dem Fach Erdkunde: die Nordsee
Neben dem Bezug zur Biologie bietet sich auch eine Zusammenarbeit mit dem Fach Erdkunde an, denn um die Lektüre verstehen zu können, brauchen die Schüler Vorwissen über die Nordsee. (In der Grundschule können die beiden Themenbereiche nacheinander im Sachunterricht erarbeitet werden.) Natürlich müssen die Gezeiten thematisiert werden; sie sind zwar kein einfaches Phänomen, doch die Kinder finden sie sehr spannend und sind entsprechend motiviert. Anschließend erarbeitet die Klasse die Tierwelt des Wattes, hier können die Schüler vielleicht Muscheln für einen „Thementisch Wattenmeer“ mitbringen (zum Thementisch siehe die Besprechung zu Katherine Scholes Sams Wal). Außerdem sollte besprochen werden, warum und durch wen das Wattenmeer heute bedroht ist; Material von Umweltschutzorganisationen oder Zeitungsartikel helfen dabei. Zu Beginn der Lektürebesprechung sollte auf einer Karte der Niederlande eingezeichnet werden, wo die Geschichte überhaupt spielt. Daran anknüpfend können die Schüler dann auch die Namen der deutschen Nordseeinseln in eine stumme Karte eintragen und lernen.

Die Verantwortung für ein Haustier
Die Erzählung handelt nicht nur von wildlebenden Seehunden, sondern thematisiert auch das Zusammenleben mit Haustieren und die damit verbundene Verantwortung. Vor lauter Aufregung um den Seehund Steven gerät Tommy, der Hund der Zwillinge, in den Hintergrund: „Natürlich hatten wir nie das Interesse an ihm verloren, keine Rede! Aber manchmal hatten wir wirklich wenig Lust uns um ihn zu kümmern.“ (S. 48) Als dem Haustier die Vernachlässigung schon anzusehen ist, macht Max die Kinder auf ihr problematisches Verhalten aufmerksam: „Ich kann gut verstehen, dass ihr euch für den Seehund interessiert. Aber wenn ihr darüber das eigene Tier vernachlässigt, dann ist eure Tierliebe nicht viel wert.“ (S. 49) Diese Textstellen regen die Kinder dazu an, von eigenen Erfahrungen mit Haustieren zu erzählen (z. B. in einem Erzählkreis): Welche Haustiere haben sie? Hatte jemand schon einmal das Gefühl, dass sein Tier ihm lästig war? Als nächstes führt man den Begriff der Verantwortung ein und lässt die Schüler erklären, was das für die Pflege eines Tieres bedeutet. Abschließend wird das Gespräch auf Jord gelenkt, der die Verantwortung für seine Katze sehr ernst nimmt und sie bei einem Umzug in ein Seniorenheim nicht einfach in ein Tierheim geben möchte, sondern eine neue Familie für das Tier sucht (S. 78 – 8 3). Alternativ liest man mit den Kindern einen Zeitungsartikel, in dem vorgestellt wird, wie viele Tiere nach Weihnachten oder in der Urlaubszeit ausgesetzt oder in Heimen abgegeben werden. Als Einstieg kann ein Bild von einem ausgesetzten Tier dienen. Einige Schüler erhalten dann den Rechercheauftrag, herauszufinden, ob auch im örtlichen Tierheim die Zahl der Tiere nach Weihnachten und in den Sommerferien zunimmt.


empfohlen von Christiane Althoff


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